Mit einem sehr interessanten Besuch beim Ausschuss für Bildung und Erziehung begann der 6. Tag unserer Reise. Es gab einem ein wenig einen Einblick wie die zentrale Steuerung funktioniert, welche Möglichkeiten eine Stadt zur Veränderung hat und wie unterschiedlich die Ansätze sein können. Zu allererst wies der Vorsitzende darauf hin, dass jedes Kind ein Schatz sei und es die Aufgabe sei jedes Kind auf seine Art und Weise zu fördern.
In Joetsu gibt es 74 Unterrichtshelfer und 75 Pflegehelfer, dabei wird das von der Präfektur aufgestellte Budget für diese von der Stadt ergänzt. Der Bedarf steigt und da aber gleichzeitig die Schülerzahlen sinken, sind die Verhandlungen mit der Stadtkasse dementsprechend schwierig. Dazusagen muss man, dass die Steuern erst an den Staat gezahlt werden und von diesem dann zentral wieder verteilt werden, dass heißt es gibt mehr Gerechtigkeit zwischen den Kommunen aber eben auch längere Wege. Innerhalb der Stadt werden die Ressourcen dann durch den Ausschuss für Erziehung und Bildung getroffen, auf Grundlage des aus den Schulen gemeldeten Bedarfs. Auf Grund der Mentalitätsunterschiede (meins, meins, meins) dürfte es aber auch hier Unterschiede in der praktischen Umsetzung geben.
Bei der Verteilung von Ressourcen gibt es durchaus auch Streit zwischen freien Trägern und der Verwaltung, da die freien Träger auf den konkreten Einzelfall fokussiert sind, während die Verwaltung die Gerechtigkeit der Gemeinschaft im Blick haben muss.
Auch in Japan gibt es gemischte Zuständigkeiten zwischen Wohlfahrt und Schule, obwohl es um das gleiche Kind geht.
Lehrer/-innen aus der Grundschule (z.T. Sonderschullehrer/-innen) besuchen die Kita und beraten Eltern und Kita im Vorfeld der Einschulung. Grundlage der Beratung für Kindern mit Förderbedarf sind ein diagnostisches Instrument (Fragensammlung) und Intelligenztests. Bei einem IQ zwischen 60-70 wird die Förderschule empfohlen, aber die Entscheidung liegt bei den Eltern. Wenn die Empfehlung für eine Förderschule vorliegt bekommt man im Gemeinsamen Unterricht auch einen Helfer.
Für Schulneubauten gilt seit 2007 eine Richtlinie für Barrierefreiheit, aber auch ältere Bauten werden bei Bedarf umgebaut.
Der Anteil der Lehrkräfte an Sonderschulen mit Zertifikat liegt wohl bei 60% und in den Förderklassen bei 20%.
Die Lehrbücher werden durch den Ausschuss für alle Regelschulen in den 3 Städten festgelegt. Die Förderschulen haben die freie Auswahl.
Zur Frage der Schulentwicklung wurde berichtet, dass der Ausschuss auf Grundlage der Herausforderungen der Schulen einen Plan erstellt, diesen bei der Präfektur einreicht und dieser dann in einem 50-50 Aushandlungsprozess genehmigt wird.
Es gibt in Joetsu auch erste Experimente Junior High (7-9) und Senior High (10-12) zu kombinieren ebenso wie die Pflichtschulzeit gemeinsam zu absolvieren. Zentrales Problem ist dabei der Platz, daher gibt es eher Kooperationsmodelle (3 Grundschulen koopieren mit einer Junior High School).
Schulen gehören zum Sozialraum und in Joetsu(!) sind alle Schulen durch einen Rat mit Bürgerbeteiligung mit diesem verknüpft.
Nach dem Mittagessen besuchten wir ein Community Center, in dem auch ein Schulverweigererprojekt angesiedelt ist. Dies ist sehr einfühlend gestaltet und versucht ein Ort zu sein, an dem die Jugendlichen sich wohlfühlen und wieder gerne lernen. Zur Zeit sind dort 15 Schüler/-innen, wobei sich Jungen und Mädchen die Waage halten (überwiegend Junior High School). Beeindruckend ist die Kooperation zwischen Schule und Projekt, die sich gegenseitig regelmäßig über den Stand und die Entwicklungen und Lerninhalte informieren. Das liegt aber auch an dem Rotationsverfahren für Lehrkräfte, da dadurch der Bezug zur Schule, der im Projekt arbeitenden Lehrkräfte noch stärker ist.
Die Information über das Projekt erfolgt durch die Schule und durch aufsuchende Arbeit des Projekts selbst. Nach Zustimmung von Eltern und Schule können Schüler/-innen flexibel das Angebot wahrnehmen (von 1h – ganzen Tag). Das Angebot ist dabei nicht begrenzt (Zahl der Schüler/-innen oder Verweildauer). Hauptgründe für die Schulverweigerung sind: sich nicht zurechtfinden in der Schule, Kommunikation mit Mitschüler/-innen (Mobbing) und Entwicklungsstörungen.
Eine möglichst individuelle Förderung findet z.T. in Kleingruppenarbeit oder in Einzelarbeit statt. Neben dem Unterricht können auch Experimente vor Ort gemacht werden und zusätzlich gibt es noch erlebnispädagogische Angebote.
Hier findet die Re-Integration als ein schrittweises Einschleichen der Schule statt (zum Beispiel am Nachmittag, wenn keine anderen Schüler/-innen anwesend sind, über den Raum der Krankenschwester, Kleingruppenarbeit). Man konnte jedoch den Eindruck gewinnen, dass an den Ursachen, die im Umfeld liegen (Mobbing, Unterricht) weniger gearbeitet wird als am Kind.
Das Projekt wird von der Stadtverwaltung finanziert über den Bildungsbereich.
Im Anschluss ging es weiter zum National Myoko Youth Outdoor Learning Center, doch dazu später mehr (wie auch mehr Bilder).