Nach einem Frühstück war der Vormittag frei, da wir den eigentlich geplanten Termin mit den Theaterleuten auf den Abend davor vorgezogen haben. Da ich den Travelbug noch im Gepäck hatte, der von Oregon über Europa nach Japan gereist war, war jetzt also Zeit um einen Geocache zu suchen und den Travelbug dort abzulegen. Mit GPS bewaffnet ging es also durch die Straßen von Tokio. Den Platz an dem der Cache liegen sollte, war schnell identifiziert, aber wer war nicht da? Der Cache! 🙁 Etwas traurig drehte ich noch eine Runde durch den angrenzenden Yoyogi-Park und traf lustige, unterschiedlich farbig bemützte Kindergartengruppen, die die Wasserfontänen zujubelten. Außerdem junge Mädchen die Youtube-Dance-Videos aufnahmen.
Was ich in dem Moment verdrängt hatte: auch wir sollten nur kurze Zeit später noch unsere Squaredance-Perfomance üben, die wir für das Kulturprogramm beisteuern. Huuuuge fan! Das ganze zu Rednex Cottoneye Joe. Ich bin mir nachwievor nicht sicher ob wir Euro-Dance-Trash und Squaredance als deutsche Kultur verkaufen sollen…
Im Anschluss machten wir uns auf die Reise nach Yokohama, wobei Yuka unsere japanische Ansprechpartnerin und Organisatorin sich so fühlte als sei sie der Hase von Alice im Wunderland: „Ich bin zu spät, ich bin zu spät…“ Wobei sie vermutlich ohne einen Haufen Deutsche am Hacken gar nicht zu spät gewesen wäre. Nach einem kurzen Blick auf das Stadion, wo das WM-Finale von 2002 stattfand (nichtsahnende erinnern sich vielleicht dann doch noch an einen weinend auf dem Boden sitzenden Oliver Kahn).
Im Yokohama Rehabilitation Center erhielten wir einen Eindruck vom Blick des Gesundheitswesens auf das Bildungssystem. Sehr spannend, weil kindzentrierter. Bemängelt wurde eine zu starke inhaltliche Überfrachtung der ersten zwei Schuljahre, die für viele Schüler/-innen mit und ohne Behinderungen eine Überlastung bedeuten können.
Das Rehabilitationszentrum leistet dabei aufsuchende Arbeit (nach Zustimmung der Eltern) in der Grundschule und gibt den Lehrkräften eine Einschätzung über Unterstützungsbedarfe des Kindes. An der Systematisierung dieser schriftlichen und mündlichen Abstimmung wird aber noch gearbeitet. Dabei bestehen durchaus Probleme, so gibt es Schwierigkeiten eine gemeinsame Sprache zu finden zwischen medizinischem und pädagogischem Personal. Ob diese Beratung so stattfindet hängt an der einzelnen Schule/Schulleitung und der einzelnen Lehrkraft.
Auch gibt es im Gegensatz zu Hino keine weitere fallbezogene Kooperation zwischen Schule und Center.
Zentrale Aufgabe ist auch die Information und Stärkung der Eltern, damit diese die Bedürfnisse ihres Kindes kommunizieren können.
Aus Sicht des Zentrumsleiters gibt es zwei Arten von Lehrkräften, diejenigen, die Kinder mit Entwicklungsverzögerungen (nach ICD klassifiziert) willkommen heißen und jene die es nicht tun. Im Unterschied zu Deutschland handelt es sich überwiegend um die jungen Lehrkräfte, die sich offen zeigen. Der Wunsch nach Integration nimmt bei den Eltern zu, aber mehr als Idee, da es dann meist an der angemessenen Unterstützung fehlt und die Schüler/-innen dann doch in Förderklassen oder Förderschulen wechseln. Die Schule muss sich verändern, aber das Bildungsministerium ist noch nicht so weit. Es gibt durchaus barrierefreie Bauten, wobei dies vor allem Neubauten sind. Die Förderschule als Ort gebündelter Ressourcen schätzt er als kostengünstiger ein.
Zum Zusammenhang von Entwicklungsverzögerung (Lernbehinderung, ADHS, Aspergerautismus) und Armut wurde gesagt, dass da kein Zusammenhang besteht, aber dann relativiert, dass im Familien im sozialen Wohnungsbau doch häufiger betroffen sind und Entwicklungsverzögerung „vererbt“ wird. Insgesamt ist in Yokohama aber die soziale Entmischung nicht so stark vorangeschritten.
Die größte Unterstützung gibt es beim Bereich Autismus, daher wird dass als erstes differentialdiagnostisch getestet. 😉
Einen Zentrumsrundgang später fuhren wir wieder zurück und ich machte mich auf den Weg durch die wuselige Stadt zu einem Cache im Süden des Yogogi-Parks. Diesmal war die Suche von Erfolg gekrönt und ich konnte den Travelbug hinterlassen. Auf dem Weg nach Hause konnte man direkt noch einen Cache mitnehmen. Dann schnell japanisches Abendbrot im 9. Stock mit unserer Übersetzerin. Dabei hab ich noch gelernt, dass nicht nur Schulleiter/-innen wechseln (sie können manchmal auch länger als 2-3 Jahre bleiben aber nicht viel) sondern auch Lehrkräfte, Ministeriumsmitarbeiter/-innen und alle anderen rotieren.
Dann noch anderthalb Stunden in der Delegationsrunde überlegen wie wir das in der kommenden Woche präsentieren und schon ist der Tag rum. Nunja fast, jetzt noch schnell packen, da es morgen nach Joetsu geht.