Tag 3: Freude schöner Götterfunken oder das Leben in vollen Zügen genießen

In einem heute angemessen vollen Zug fuhren wir zu früher Stunde nach Hino, einer Stadt, die zu Tokio gehört und sich zeit 10 Jahren der Integration von Schüler/-innen mit Behinderungen widmet: “ Eine barrierefreie Stadt ist eine menschenfreundliche Stadt.“ In dem Developing & Special Education Support Center war ein Vortrag zum Deutschen Bildungssystem (inkl. außerschulischer Bereich, Schulsystem und sonderpädagogischer Förderung) gewünscht. Dabei wurde vor Ort die Zeit von 20 min (inkl. Übersetzung) auf 10 min gekürzt. Kein Ding! 😉 Ich glaube mit 20min inkl. Übersetzung wäre ich vielleicht hingekommen, so war es schon dolle kurz. Egal.

Der folgende sehr spannende Vortrag zum Thema Universal Design zeigte insbesondere auf, wie dieses helfen kann, den allgegenwärtigen Frontalunterricht barrierefreier gestalten kann. Dies soll vor allem durch klare Platz und Zeitstrukturierung (Autist/-innen), die Menge der Anreize (ADHS), einfache Sprache (Lernbehinderte), Visualisierung, gemeinschaftlichen Austausch und mehr Zeit zum selbst denken gelingen. Schüler/-innen mit Förderbedarf Geistige Entwicklung besuchen Sonderklassen oder Sonderschulen.

Das Rehacenter bietet ab Geburt eine Beratung und Begleitung der Eltern an und wird unter gemeinsamer Verantwortung des Bildungsbereichs und des Gesundheitsbereichs geführt. Zusätzlich zu dem Beratungs- und Frühförderungsangebot gibt es auch noch ein eigenes Sonderkitaangebot. (An späterer Stelle haben wir gelernt, dass sich die Integration im Kitabereich auf die öffentlichen Kitas beschränkt, während die zahlreichen privaten Kitas dies weitgehend ausblenden.) Das Center begleitet auch Kinder in der Grundschule und hat dafür ein computergestütztes Dokumentationssystem, auf dass sowohl das Center als auch die Schule zugreifen kann und das Vorschläge zur weiteren Förderung anbietet.

Die Vortragende vom Rehazentrum ist außerdem mit verantwortlich für eine Sammlung von 300 Best-Practice-Beispielen im Raum Hino, die als Buch gemeinsam mit den Lehrkräften herausgegeben wurde.

Weiter ging es zu eben einer solchen Grundschule in Hino. Nach einem Mittagessen mit den Schüler/-innen der 6. Klasse und einer Teezeremonie besuchten wir eine Japanischstunde einer 6. Klasse  die sich einer Buchbeschreibung widmete. Von den 36 Schüler/-innen hatten 5 besonderen Förderbedarf (Lernen & ADHS) und sie erhielten Unterstützung durch Hilfekarten, veränderte Arbeitsblätter und besondere Sitzplätze. Nach einer längeren frontalen Phase, arbeiteten die Schüler/-innen mit ihren Banknachbar/-innen. Auffallend war die klare Taktung der Arbeitsphasen, die zugewandte Art der Lehrerin und die große Ruhe in der Klasse. Gleichermaßen sollen alle das gleiche, zur selben Zeit im selben Tempo lernen. Für die Schüler/-innen denen dies nicht gelingt, gibt es einmal in der Woche ein einstündiges Angebot im Ressourceroom, wo überwiegend in eins zu eins Situationen, in diesem Fall von einer engagierten Regelschullehrerin, den Schüler/-innen Stoff vermittelt wird.

Die Schüler/innen sangen nicht nur die Ode an die Freude für uns sondern ließen uns durch einen Schüler erklären, dass auch wenn es fürchterlich regnet so doch Sonne in seinem Herzen scheine angesichts unseres Besuchs.
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Nach einem leckeren Pfannkuchen-Abendbrot (diese wurden live vor einem auf dem Tisch zubereitet und waren mit verschiedenen Füllungen versehen) gab es noch einen weiteren Vortrag zum Thema Inklusives Theater, was hinsichtlich der Kindorientierung am beeindruckensten war. Diverse Theaterprojekte für Kinder mit und ohne Behinderungen wurden vorgestellt und in diesem Zusammenhang aufzeigt welche Herausforderungen entstehen, wenn man versucht die Perspektive der Kinder einzunehmen. Wie sich Theater verändern muss um Zeit und Raum für selbständiges entdeckendes Lernen zu ermöglichen und was dies aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit bedeutet, wenn es darum geht Projekte tatsächlich für alle anzubieten. So kommen die Familien von Kindern mit Behinderung nicht, wenn die Ausschreibung sagt, eine Veranstaltung für alle und die Familien von Kindern ohne Behinderung kommen nicht wenn man sagt, es richtet sich an Kinder mit und ohne Behinderung. Vielleicht muss man die Zielgruppen getrennt ansprechend und zur selben Veranstaltung einladen. 😉

Sonstige interessante Erkenntnisse:
Es gibt Anwesenheitspflicht für Lehrkräfte von 8.15- 16.45 Uhr wobei viele länger da sind. (Die Anwesenheitszeiten deutscher Lehrkräfte sorgte für einen Lachkrampf bei der Schulleiterin.)Schulleiter/-innen wechseln in regelmäßigen Abständen die Schule (alle 3 Jahre), wo sich nicht nur mir die Frage stellt, wie in einem solchen System Schulentwicklung durch die Leitung unterstützt werden soll.
Mt. Fuji kann man auch bei schlechtem Wetter sehen:
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Plastikdeckel von Flaschen (allgegenwärtig) werden getrennt in eigenen Behältern gesammelt!

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