Der Morgen begann, wie der Tag zuvor geendet hat. Mit Reis und Fisch. Das japanische Paar im Aufzug meinte zwar, ich solle lieber in der Cafeteria frühstücken gehen, aber auch im Restaurant im Dachgeschoss unseres Hauses gibt es ebenfalls japanisches Frühstück und einen wunderschönen Blick auf die Stadt. Die angekündigten vergorenen und lustig fädenziehenden Bohnen waren durchaus essbar werden wohl aber auch nicht in meinem Frühstück in Deutschland integriert werden.
Da die Delegationsleiterinnen noch zum Präsidenten von NIYE geladen waren, war unser Start in den Tag entspannt und begann dann mit einem kurzen Vortrag über das Schulsystem und NIYE.
Spannende Erkenntnis, die es noch zu vertiefen gilt: die Lehrerlizenz muss alle zehn Jahre erneuert werden und es gibt für die Senior Highschool scheinbar auch die Möglichkeit die Klassen 9-12 in Teilzeit zu absolvieren (nach Literatur z. T. sogar in modularer Form, d.h. mit einem Creditsystem wie an der Uni). Auch wenn der GEW-Vorstand bei dem ersten Gedanken kollektiv einen Herzkasper bekommt finde ich ihn doch interessant.
Für den Bereich der Inklusiven Pädagogik gab uns Prof. Tsuge eine erste Einführung. Die zeigte verschiedene Aspekte auf. Schüler/innen mit Learning disabilities gibt es auch in Japan aber sie werden zum Großteil in Regelklassen gefördert. Sie gehören zur Kategorie Entwicklungsverzögerung. Ihr Anteil liegt mit 6,5%, wobei in diese Kategorie auch ADHS und Asperger Autismus fallen.
Es gibt zahlreiche Sonderklassen in denen auch Sonderpädagog/innen tätig sind, während in den Regelklassen dies selten der Fall ist. Insgesamt ist der Anteil der Sonderpädagoginnen in Förderzentren und Sonderklassen sehr viel höher (70%) als in Deutschland.
Zur Unterstützung gibt es ein Ambulanzlehrer/innensystem, die aufsuchende Arbeit leisten (Beratung, Diagnostik, Ressourceroom). Für die Sonderklassen gibt es Kooperationspläne, die Kooperationsvorhaben gemeinsam mit den Regelklassen festlegen.
Schulen bilden einen Ausschuss aus Schulleitung, Sonderpädagog/in, Klassenlehrerinnen und med. Personal der über die weitere Förderung einzelner Schüler/innen entscheiden. Eine sonderpädagogische Koordinatorin ist im Folgenden Ansprechpartnerin für Eltern, Externe und alle fallbezogenen Angelegenheiten.
Alles in allem ein spannender Vortrag, der jedoch aufzeigte, dass der Teufel im Detail liegt und es doch noch einiges an Zeit braucht um sicherzustellen dass man sich versteht oder glaubt sich zu verstehen. Und zahlreiche neue Fragen bleiben für die kommenden Tage.
Da wir außerhalb der Rush-hour unterwegs waren, waren die U-Bahnen sehr leer.
Für die Nachbesprechung am Abend trafen wir uns wieder im 9.Stock des NYC, wo auf einmal der Boden und die Wände wackelten. Mr. Fujii hatte uns jedoch erklärt, dass wenn dem Gebäude des National Youth Centers etwas passiert ganz Tokio in Schutt und Asche liegt und wir uns also keine Sorgen machen sollen, weil wir gut aufgehoben seien. Das half (zumindest einigen) beim Erdbeben und die Tatsache, dass wir nicht mehr auf der Aussichtsplattform im 45. Stock des Rathauses waren wohl auch.