Tag 6: Shiraz oder I am a Problem oder Trüffel mit Ketchup (taroof or not taroof)

Wir sind also um halb sechs aufgestanden um auf den Vater aller Berge zu klettern. Das fing ganz gut an, bevor wir dann doch auf den einfacheren Weg ausweichen mussten, weil Sina unfallbedingt nicht so gut zu Fuß war. Praktischerweise benutzte sie die Wanderstöcke, die Ali mitgebracht hatte nicht, so dass ich diese auf dem Rückweg nehmen konnte als mein Knie wieder anfing sich über bergab laufen zu beschweren. Sina hat nach ihrem Studium in der Molekularbiologie gearbeitet, für umsonst um dann mit auf dem Paper aufzutauchen und dann ist ihr Chef weggegangen und hat sie nicht mitgenommen. 🙁 Jetzt würde sie gerne ins Ausland gehen um dort umsonst zu arbeiten…
Nach einem entspannten Frühstück auf dem Berg mit Ruhe, einer frischen Brise und einer herrlichen Aussicht über Shiraz, machten wir uns zum Sound von Dota und den Stadtpiraten (Do you have German music on your phone?) auf den Weg hinab.
Eine weitere hübsche Grabstätte des Dichters Baba Kuhi versuchen Religiöse gerade in eine Pilgerstätte umzuwandeln. In der Nähe treffen wir auf eine Deutsche, zwei halbe Iraker und jeweils einen halben Deutschen und einen halben Franzosen. Die drei haben dort genächtigt (im Gebetsraum) und waren als wir kamen gerade mit rumhängen beschäftigt. Dabei haben wir sie tatkräftig unterstützt. Im Zuge dessen bekamen wir Dattelschnapps angeboten (50% und ggf. 80 Peitschenhiebe), wobei auch Ali uns am Abend zuvor Wein angeboten hatte (siehe die „eigene vier Wände“-Regel).
Der Halb-Franzose (Dauertraveller) meinte, dass er gerade den Namen seiner hypothetischen Autobiographie gefunden habe:“ I’m a problem!“. Ein wirklich lustiger Typ, der in Frankreich aufwuchs und aber auch 2,5 Jahre durch den Iran gereist ist. Er hatte eine spannende Antwort auf eine meiner Standardfragen nach dem für ihn schönsten Ort im Iran: je nach Jahreszeit: Shiraz im Frühling, der Persische Golf im Winter, die Berge und das kaspische Meer im Sommer. (Lieblingsort in Deutschland gerne in die Kommentare :-), ich glaube meiner ist der Blick auf den Eibsee vom Berg aus).
Der Besitzer, der schon den dreien Obdach gewährt hatte, hatte am Morgen Trüffel gesucht und lud sie und uns jetzt dazu ein. Damir kommen wir zu einem weiteren Problem: was ist ernst gemeint an Angeboten und was nicht. Es heißt taroof und die Höflichkeit gebietet, dass man Geschenke 3mal ablehnen muss, bevor man sich sicher sein kann, dass sie ernstgemeint sind. Man kann versuchen zu fragen, ob es sich um taroof handelt oder nicht, aber die Höflichkeit gebietet natürlich das zu verneinen. Also nicht ganz so einfach. Aber als wir aufbrachen und auch Ali keine Anstalten machte uns zu sagen, dass wir dem guten Mann doch Geld geben sollten, bedankten wir uns ganz herzlich und verließen die anderen. Zuvor hatte Ali Ruth und Azad(die auch aus Berlin kommen) noch angeboten ebenfalls bei ihm zu übernachten (außerdem angekündigt war noch ein Japaner), das versprach ein lustiger Abend zu werden.
Vorher gingen wir aber noch in die Eisdiele (Vater des Eises) und wurden dort prompt auf Deutsch begrüßt. Der Besitzer hat in Hamburg Informatik studiert, was bei Sina und Ali die Frage aufwarf, warum in aller Welt er zurück gekommen ist. Das Eis war eine Spezialität des Hauses: Safran, Schokolade und Vanille und in der Tat ganz lecker.
Zur Frage des Hijab sagte Sina, dass sie ihn blöd finde, es aber schätze dass ihre Familie ihr Freiheiten lässt (zum Beispiel mit uns Wandern) und sie ihn daher trage, quasi als Entgegenkommen ihrerseits.
Wir verabschiedeten uns von Sina und fuhren für eine Dusche und einen Mittagsschlaf zu Ali.
Eine der Hauptattraktionen von Shiraz sind die verschiedenen Gärten, die in ihrer Gesamtheit der persischen Gärten zum Weltkulturerbe zählen. Diese ohnehin schon schönen Eindrücke wurden ein wenig in den Hintergrund gedrängt, da wir die Gelegenheit hatten Alis Verlobte Sana kennenzulernen. Nachdem sie erklärte, dass sie nicht mit klettern gehen könnte, weil sie Englischunterricht hatte, konnte sie sich auch nicht mehr angeblich nicht vorhandenen Englisch-Kenntnissen verstecken.

Wir besuchten gemeinsam den Eram Garten und den Jahannama Garten, fragten sie über Kennenlernen und Hochzeitspläne aus und waren höchst erfreut, als wir hörten, dass sie trotz vorgerückter Stunde mit uns zum Abendessen kommen durfte (ihre Eltern bedürfen noch der Erziehung).
Wir fuhren also zum Hyperstar, einer riesigen Mall, mit einem Supermarkt, der fast alles bot um Nudelauflauf mit Brokkoli und Hähnchen usw. zu machen. Alles bis auf Brokkoli. (Ansonsten erinnert der Supermarkt an die aus Frankreich, also riesig und in Vorbereitung des Wochendendes auch voll. Zur Entlastung der Frau gibt es in vielen Haushalten Fast-food, wie Pizza, am Wochenende.
So kochten wir mit den inzwischen eingetroffenen anderen drei, dem Bruder und einem Freund. Ein wunderbarer Abend ohne Hijab dafür mit Gitarre und Xbox und internationalem Plausch.

Eine lustige Vorstellung, so was in der Wohnung meiner Eltern zu veranstalten. Alis Freund betonte nochmal das viele Iraner/innen keine richtigen Moslems seien sondern nur so tun als ob, um nicht anzuecken oder um bessere Jobs zu bekommen.
Wir stellten zudem den Ländervergleich hinsichtlich des Durchschnittsalters an und stellten fest das Iran mit 27 Jahren deutlich besser dasteht als Deutschland (43) und Japan (44). Eine mögliche Ursache dafür mag eine höhere Gefährdung älterer Menschen im iranischen Verkehr sein.