Zum Leidwesen des Teenagers beginnt der Tag in meiner Gastfamilie auch am Wochenende um 7.30. Das in dieser Familie japanische Kultur und Tradition hochgehalten wird, wird schon beim Frühstück klar. Klassisch japanisch. Keine westlichen Einflüsse zu erkennen. Reis. Suppe. Vergorene Bohnen. Fisch. Algen.
Nach dem Frühstück führen Max, meine Gastmutter und ich zu einem Berg auf dem früher eine Festungsanlage war. Sehr schön, mit Tempel und englischer Ausschilderung, nur ohne Festung. Da haben wir wieder die Geschichte vom Wolf und den 3 kleinen Schweinchen. Wobei ich zugeben muss, dass es in Erdbebenregionen etwas anders aussieht. Nunja von den Terrassen dieses Berges hatte man jedenfalls einen schönen Überblick über die Dächer von Joetsu und einen wunderbaren Ausblick auf die Berge in der Umgebung (inkl. Rauchsäule eines Vulkans). Als wir wieder den Fuß der Anlage erreichten klingelte das Handy meiner Gastmutter. Ihr Mann sagte, er sei schon zu Hause und fragte, wo denn wir und das Mittagessen seien. Sehr traditionell.
Also schnell nach Hause und Mittag gekocht. Nudeln mit Schinken, Sprossen, Ei, Gemüse, Soße. Klingt näher an unserem Essen als es tatsächlich ist. Die Gastmutter hat die Hilfe beim Kochen diesmal gerne angenommen.
Nach dem Mittag war kurz Zeit zum Schlafen. Im Anschluss kam eine lustige interkulturelle Begegnung: ich hatte gesagt, dass ich gerne im Meer baden würde. Nun ist es aber so, dass erst Anfang Juni die Götter des Meeres angerufen werden auf das niemand verletzt werde. Kurz: baden im Mai geht gar nicht. Gleichzeitig: der Wunsch des Gastes wird möglichst erfüllt. Ui. Man konnte das innere hin und her förmlich sehen. Wir fuhren also zum Strand und ich durfte bis zu den Knien reingehen, aber da niemand sonst im Wasser war, war es auch vor Ort nicht zu rechtfertigen. Nach einem kurzen Besuch am Strand schauten wir uns noch einen Fischmarkt an, mit allerlei großem und kleinem Wassergetier.
Zurück zu Hause ging es gleich weiter zu einer heißen Quelle in den Bergen. Dafür sammelten wir noch ein älteres Paar ein. Die heiße Quelle war erträglich warm und insgesamt war es ein eher kurzes Vergnügen. Nicht zu vergleichen mit einem halben Tag im Spa. Sorgfältig nach Männlein und Weiblein getrennt, wäre es ohne das andere Pärchen für die Gastmutter auch langweilig gewesen. Nach dem Baden wurde deutlich, dass der Gastvater es ganz wichtig findet, dass man die Haare trocken macht.
Das anschließende Abendessen zeigte auf, wie man einen Japaner dazu bekommt nein zu sagen: einfach versuchen sie einzuladen. Nicht ganz unerwartet. Gänzlich unerwartet war hingegen das sich anschließende zweite Abendessen bei dem befreundeten Pärchen. Bei dem Kuchen und dem Tee dachte ich noch ok, es gibt halt Nachtisch. Als dann aber auch noch Bohnen, Kimchi, Käsecracker, Gemüse und Reis und Suppe auftauchten war ich irritiert. Immerhin verzichteten sie auf das wohl auch noch übliche Essen als wir nach Hause kamen. Ich durfte dann noch seinen Hochzeitsanzug anlegen inkl. Samuraischwert. Dabei handelt es sich um eine langwierige Prozedur, aber so oft heiratet man ja auch nicht.